von
T. Austin-Sparks
Zuerst veröffentlicht in den Zeitschriften "A Witness and A Testimony", Jul-Aug 1950, Vol. 28-4. Originaltitel: "God's Thought-Intention Concerning Manhood". (Übersetzt von Manfred Haller)
«Ihr müsst von neuem (von oben) geboren werden» (Joh. 3,7b).
«...bis wir alle hingelangen zur Einheit des Glaubens und der Erkenntnis des Sohnes Gottes, zur vollen Mannesreife, zum Vollmaß des Wuchses der Fülle Christi» (Eph. 4,13).
«ihr (habt) den alten Menschen ausgezogen und den neuen angezogen, der erneuert wird zur Erkenntnis nach dem Bild dessen, der ihn erschaffen hat. Da ist weder Grieche noch Jude, Beschneidung noch Unbeschnittenheit, Barbar, Skythe, Sklave, Freier, sondern Christus alles und in allen» (Kol. 3,9-11).
«Aber er machte sich selbst zu nichts und nahm Knechtsgestalt an, indem er den Menschen gleich geworden ist, und der Gestalt nach wie ein Mensch befunden, erniedrigte er sich selbst und wurde gehorsam bis zum Tod, ja, zum Tod am Kreuz» (Kol. 2,7.8).
Es ist zumindest interessant, ja sogar beeindruckend, festzustellen, dass die obigen Abschnitte – Zitate aus den Briefen von Paulus – die volle Entwicklung der Worte Christi sind, die Johannes uns überliefert hat: «Ihr müsst von neuem – oder «von oben her» - geboren werden». Das Johannesevangelium war eine der letzten Schriften des Neuen Testamentes, die verfasst wurden. Als bereits alle Apostel zum Herrn gegangen waren und sich das erste apostolische Jahrhundert dem Ende zuneigte, schrieb Johannes sein Evangelium. Er schrieb, weil das Christentum sehr rasch seine Form änderte. Ursprünglich seinem Wesen nach durch Leben charakterisiert, degenerierte es schnell zu bloßer Tradition. Ursprünglich eine Angelegenheit des Geistes, wurde es zu einer äußerlichen Formalität. Ursprünglich himmlisch, wurde es zu etwas Irdischem. Ursprünglich sich mit dem ewigen Sohn Gottes befassend, wurde es zu einer Angelegenheit des Jesus der Geschichte. Die allgemeine Gemeinde seiner Briefe und die örtlichen Gemeinden seiner Offenbarung hatten ihren geistlichen Charakter verloren und die große Offenbarung, die ihnen durch Paulus vermittelt wurde, beiseite gelegt oder gar verworfen. «Alle, die in Asien sind, (haben) sich von mir abgewandt» (2. Tim. 1,15). Das Johannesevangelium wurde als ein Korrektiv zu all dem oben Genannten und zu vielem mehr verfasst. Nehmt diese Punkte einen nach dem andern vor und seht diesen korrektiven Charakter.
Nachdem er den Sohn Gottes in seiner ewigen Gottheit eingeführt und dann die himmlische Beziehung seines Menschseins angezeigt und festgestellt hat, kommt er sehr schnell dazu, diesen himmlischen Menschen mit dem besten Typ vom (religiösen) irdischen Menschen zu kontrastieren, und an diesem Punkt, in diesem Zusammenhang, führt er die Worte Christi ein: «Ihr müsst von neuem geboren werden». Und so werden wir sofort in das Licht der ewigen Gedankenabsicht für die Menschheit gebracht – zumindest, abgesehen von der Gottheit selbst, insofern es alles außer Christus betrifft.
Eine umfassende Wirkung einer richtigen Auffassung von Johannes’ Schriften (genauso wie derjenigen von Paulus oder Petrus) wäre die, dass das Christentum aus seiner Kleinheit, in die es geführt wurde, in die Größe, in die Immensität von Gottes Absichten zu befreien. Im Zentrum dieser Absichten steht – soweit es die Schöpfung betrifft – ein göttliches Konzept vom Menschen.
Menschen, die Bestandteile einer Menschheit darstellen, wie Gott sie sich gedacht hat
«Lasst uns einen Menschen machen» - das war eine Vorstellung, das war ein Gedanke, und es erwies sich als eine konkrete Absicht. «Lasst uns Menschen machen in unserem Bild, nach unserem Gleichnis (bzw. uns ähnlich)» (Gen. 1,26). Gott machte den Menschen. Er schuf ihn, und dann wurde er verdorben; dieser Mensch wurde durch die Werke des Teufels geschändet, und der Mensch hatte dies selber zugelassen. Von diesem Zeitpunkt an findet ihr einen Geschichtsverlauf vor, in welchem es eine ganze Kette von Menschen unter der Hand Gottes gab, bei denen in jedem Einzelnen bestimmte Gesichtspunkte einer Menschheit nach Gottes Vorstellung sichtbar wurden. Dies ist der Grund, warum diese Menschen überhaupt erwähnt werden, warum wir besitzen, was über sie berichtet wird – Abel, Henoch, Abraham und der ganze Rest. Sie sind Menschen unter Gottes Hand, und jeder einzelne von ihnen repräsentiert irgend einen Gesichtspunkt der Menschheit gemäß Gottes Gedankenabsicht. Natürlich gab es bezüglich dieser Männer noch viele andere Dinge, doch eines war in jedem einzelnen Fall auffallend, und das ist dieser göttliche Gedanke, dieser Menschenfaktor in Übereinstimmung mit Gottes Sinn. Nicht einer dieser Männer war als ein Mensch im Sinne Gottes vollständig. Vielleicht waren sie in den meisten Dingen sehr unvollkommen, und in den meisten von ihnen gab es wohl viele Widersprüche. Aber etwas traf auf sie alle zu; es war nicht in jedem dasselbe, bei den meisten von ihnen war es möglicherweise unterschiedlich. Aber da gab es eines, das hervorstach, worauf Gott blickte, an das Gott sich verpflichtete, um dessentwillen Gott mit diesem Menschen weitermachte: Dieser Mensch offenbarte, in seiner Herzensbeziehung zu Gott, eines dieser Merkmale von einem Menschen, wie Gott ihn sich gedacht hatte. Doch, wie wir gesagt haben, sie waren unvollkommen. Keiner von ihnen war vollständig als ein Mensch nach dem Herzen Gottes. Sie versagten und gingen dahin; und sie ließen nur dieses herausragende Charakteristikum zurück, damit man es für alle Zeiten beachte. Wir wollen nicht dabei verweilen, in jedem einzelnen Fall dieses charakteristische Merkmal aufzuzeigen – ihr kennt sie ja. Wir weisen nur auf die Tatsache hin. Jedes Bindeglied in der Kette dieser Männer stellt einen bestimmten Gesichtspunkt dar, doch die Kette endete unvollkommen, unvollständig, keiner von ihnen hat Gott in jeder Hinsicht befriedigt, und doch hatte Gott in jedem von ihnen ein Zeugnis.
Die Fleischwerdung
Die nächste Stufe und der nächste Schritt ist die Inkarnation, das Kommen des Wortes, das Gott selbst war, des himmlischen Menschen in der Welt, des Menschensohnes, im Fleisch: und sofort wurde Er zum zentralen Gegenstand universeller Kontemplation. Der Himmel blickte auf Ihn, beobachtete, und war an Ihm äußerst interessiert. Bei Seiner Geburt waren die Engel anwesend und schauten auf Ihn. Sie waren ungeheuer am Geschehen interessiert. Von Zeit zu Zeit, während Seines ganzen Lebens auf Erden, traten Engel auf, besuchten Ihn, dienten Ihm, stärkten Ihn in der Wüste und im Garten. Bei Seiner Auferstehung waren Sie am Grabe anwesend. Es ist der Mensch, der der Gegenstand dieses Interesses ist. Auch die Hölle zeigte großes Interesse. Bei der Geburt – Herodes; in der Wüste – Satan selbst; am Kreuz – die Fürstentümer und Gewalten. Um das Sinnbild des Psalmisten zu benutzen: «Sie umringten mich wie Bienen» (Ps. 118,12) – Schwärme von bösen Geistern umgaben Ihn. Die Hölle war ungeheuer interessiert an diesem Menschen. Auch die Erde war interessiert, die Menschen selbst waren interessiert, und sie beobachteten und waren verwirrt. Er ist das Zentrum universellen Interesses.
Der Zweck der Inkarnation
a. Die Zerstörung der Werke des Teufels im Menschen
Und dann fragt ihr: Welches ist die Bedeutung und der Zweck dessen, dass Gott in dieser Form, in Menschengestalt, daherkommt? Nun, die Antwort lautet, dass dies einem doppelten Zweck dient. Der eine besteht darin, dass der Mensch in volle Übereinstimmung mit der Gedankenabsicht Gottes gebracht wird und er als das himmlisches Muster präsentiert wird; und der zweite ist der, dass die Werke des Teufels im Menschen zerstört werden. «Hierzu ist der Sohn Gottes geoffenbart worden (in Menschengestalt), damit er die Werke des Teufels vernichte» (1. Joh. 3,8). Ich möchte hier nur andeuten – wir werden ausführlicher darauf zurück kommen – dass die Zerstörung der Werke des Teufels durch den Menschensohn nicht bloß etwas Objektives war, so wie ich etwa ein Buch ergreife und es in Stücke reiße. Es geschah inwendig, und es vollzog nicht zuerst im Menschen außerhalb von Jesus Christus. Es geschah im Sohn des Menschen selbst. Das verlangt nach einer Erklärung. Es würde mich in Schwierigkeiten bringen, wenn ich es dabei bewenden ließe. Er tat etwas, indem er etwas ganz Bestimmtes war. Er zerstörte etwas, indem Er das Gegenteil von diesem Etwas war. «Der Fürst der Welt kommt» - um Mich zu zerstören, das ist die Bedeutung dieser Aussage - «und in Mir hat er gar nichts» (Joh. 14,30), nichts, auf das er Einfluss nehmen könnte; deshalb war er aufs äußerste besiegt, und er war in einem Menschen besiegt, weil er bei ihm keinen Grund finden konnte. Seine Werke wurden zerstört, weil er nicht den benötigten Grund zum Erfolg erhalten hatte. Der Sohn Gottes wurde geoffenbart, um die Werke des Teufels als Menschensohn zu vernichten, und um den ersten Menschen, Adam, zu ersetzen, in welchem die Werke des Teufels vollbracht wurden.
O, wir haben keine Ahnung, was in der Seele Jesu vor sich ging, sowohl während seines irdischen Lebens als auch am Kreuz! Was für ein fürchterlicher Kampf wurde da ausgefochten! Wie groß waren die Anstrengungen des Feindes, um ihn zu zwingen, den Grund des ersten Adams einzunehmen, um Ihn und Seinen Samen so zu vernichten. Sein Leben muss ein einziger, fortwährender Zustand des Widerstandes und der Verweigerung gewesen sein. Am Kreuz, im Zustand der Schwachheit, des Ausgemergeltseins, der Erschöpfung, brach die volle Wucht der ganzen Macht Satans über Ihn herein beim Versuch, irgendwelchen Grund für die Werke des Teufels zu finden, damit der Teufel sein Werk wiederholen und auch den letzten Adam vernichten konnte. Dieser Konflikt Seiner Seele war universell, er fand auf der Grundlage all dessen statt, was sich natürlicherweise im Menschen findet. Er durchlebte jede Versuchung, die den Menschen gewöhnlich trifft, Er wurde in allen Punkten versucht wie wir auch. Wir müssen darüber nachdenken und so weit wir nur können in unseren Herzen erkennen, was das bedeutete – in allen Punkten versucht wie wir! Der Feind wurde in allen Punkten in seinen Werken zerstört, so dass in diesem Repräsentanten, der nun den Platz eines sich in Versuchung befindenden Menschen, eines geprüften Menschen, eines schwachen Menschen, «aus Schwachheit gekreuzigt» (2. Kor. 13,4) eingenommen hat, der Teufel nichts finden konnte. Der Sohn Gottes zerstörte als Menschensohn die Werke des Teufels und ersetzte stellvertretend den Menschen, in dem die Werke des Teufels gewirkt worden waren. Der erste Mensch ist abgesetzt, beseitigt.
b. Vollkommenes Menschsein entwickelt und zur Fülle gebracht
Aber lasst uns nun zu dem zurückkehren, was wir früher hinsichtlich des Zwecks der Inkarnation gesagt haben – dass ein anderer Mensch zum vollkommenen Mensch-sein nach Gottes Sinn gebracht wurde. Dies geschah auf zwei Weisen. Zuerst in Ihm persönlich. Ein Werk ging in Ihm vor; und zwar nicht eines, das Ihn besser, reiner, sündloser machen sollte. Die Vollendung des Sohnes des Menschen bestand nicht darin; und doch wird definitiv erklärt, dass ein Werk der Vollendung in Ihm vorging. Er war sündlos, Er konnte gar nicht reiner und besser werden, als er bereits von Anfang an war; aber da gibt es Tugenden, Charakteristiken und Eigenschaften, die in sich selbst fehlerlos, aber noch nicht zu ihrer vollen Gestalt entwickelt sind. Und eine Entwicklung zur vollen Gestalt findet nur dann statt, wenn sie einem Test unterzogen, wenn sie dem Feuer ausgesetzt werden. Das kann sie ihrem Wesen nach nicht reiner machen, aber es wird ihr Maß vergrößern. Er wurde durch Leiden vollkommen gemacht (Hebr. 2,10), vollendet, vollständig – wenn wir die wahre Bedeutung des ursprünglichen Wortes zugrunde legen – er wurde vollständig gemacht, zur Reife, zum vollen Mannesalter, er wurde vollkommen abgerundet (all-roundness). In Ihm wurde der Mensch zu seiner Fülle gebracht.
So begann Er als Kleinkind und wuchs heran. Dreißig Jahre ist das levitische Alter des erwachsenen Menschen, und Er erreichte dieses Alter und ging noch etwas darüber hinaus. Es war das Menschsein, das unter Gottes Augen zu seiner Fülle gebracht wurde. Er konnte sagen: «Es ist vollbracht» - nicht nur in dem Sinne, wie wir das Wort brauchen, nämlich, dass er ans Ende gelangt ist, zum triumphalen Abschluss eines bestimmten Werkes; in Wirklichkeit sagte Er mehr als nur dies. Er sagte das, was der Priester über dem Opfer sprach, das von der Herde abgesondert und für so viele Tage einer strengen Untersuchung und Prüfung unterzogen wurde, damit jeder mögliche Fehler entdeckt werden konnte, bevor es Gott dargebracht wurde. Und wenn dann die Untersuchung so weit wie möglich unter dem geschulten Auge des Priesters fortgeschritten war und kein Mangel oder Fehler irgendwo entdeckt werden konnte, sprach der Priester darüber die Worte: «Es ist vollkommen». Genau diese Worte benutzte der Herr Jesus am Kreuz an Seinem Ende, als Er sich selbst ohne Makel Gott darbrachte. Es ist vollkommen, es ist vollständig! Dies ist der Mensch gemäß Gottes Gedanken und Vorstellung.
Dann aber hat die Inkarnation ein noch weiter reichendes Ziel als nur das. Dieses Vervollkommnung des wahren Menschen sollte in Seinem Leib auf gemeinschaftliche Weise erfüllt werden. Dies ist der Grund, weshalb wir in Epheser 4,13 die Worte lesen: «bis wir alle hingelangen ... zur vollen Mannesreife, zum Vollmaß des Wuchses der Fülle Christi», zu einem erwachsenen Menschen. Und im Kolosserbrief – wo nichts von dem bleiben kann, was zu diesem irdischen Menschen gehört: nationale Barrieren, Unterschiede, Trennungen; soziale Barrieren; charakteristische Unterschiede; religiöse Unterschiede – Beschneidung, Unbeschnittenheit: sondern wo es nur noch einen neuen Menschen gibt, wo Christus alles und in allen ist - «da ihr den alten Menschen ausgezogen ... und den neuen angezogen habt» (Kol. 3,9.10). Das bringt uns nun an diesen Punkt, dass von uns als Gläubige erwartet wird, dass wir auf diesem neuen Grund stehen, der durch das Kreuz unseres Herrn Jesus Christus gesichert wurde, auf dem neuen Grund des neuen und himmlischen Menschen. Wir sollen uns auf diesem Grund befinden. Hier beginnt unsere Verantwortung, und hier beginnt auch die wahre Arbeit, denn dann, sobald wir auf diesem Grund stehen, auf dem einzigen Grund, den ein Christ nach Gottes Vorstellung einnehmen kann, bezieht sich unsere einzige Aufgabe auf diesen himmlischen Menschen. Unser einziges Geschäft besteht in dieser himmlischen Menschheit, sowohl was uns persönlich, als auch, was uns gemeinschaftlich als Leib Christi betrifft. Und dieses einzige Geschäft mag viele Formen des Vorgehens annehmen. Es mag Evangelisation einschließen, weil dem Haupt Glieder hinzu gefügt werden müssen. Und es wird auch jede andere neutestamentliche Aktivität einschließen. Es wird viele göttliche Begabungen und himmlischen Gaben mit sich bringen – Apostel, Propheten, Evangelisten, Hirten und Lehrer, für dieses «vollkommen Machen» des Leibes Christi (for this perfecting of the Body of Christ). «Verschiedenheiten von Gaben, doch derselbe Geist... derselbe Gott... ein Leib» (1. Kor. 12,4-13), für ein einziges Ziel. Immer geht es um dieses Menschsein, diesen neuen (gemeinschaftlichen) Menschen, doch das wahre Geschäft ist nicht die Evangelisation als solche, ist nicht ein Lehrdienst als solcher, sind nicht Gaben als solche, deine und meine Gabe als solche, sondern alles konzentriert sich auf ein Einziges, und nur auf dieses Eine – der einzige Auftrag, das einzige Geschäft von all dem ist – dieser himmlische Mensch.
Es muss bei uns persönlich beginnen. Was uns persönlich betrifft, so ist das einzige Anliegen unseres Herzens und muss sein das Menschsein nach dem Gedanken Gottes. Wir müssen danach trachten, dem Bild des Sohnes Gottes gleichförmig zu werden. Und, soweit es andere betrifft, so muss es sein wie bei Ihm, dem himmlischen Menschen – Er selbst war stets darum besorgt, dass Er persönlich der Mensch war, der dem Herzen des Vaters in allen Punkten entsprach; und dann war da noch seine große Sorge, dass andere auf denselben Grund gelangten, den Er selbst einnahm, und dass ihnen gedient und ihnen geholfen wird, dass sie ermutigt und unterwiesen und in jeder Hinsicht versorgt werden um dem Gedanken Gottes bezüglich des Menschen immer ähnlicher zu werden.
Ich möchte, dass ihr den Punkt trefft. Meint nicht, das sei einfach so hingesagt. Wir verrichten eine Menge christlicher Arbeit, und sehr oft ist der Arbeiter so sehr von seiner Arbeit an sich eingenommen, dass wir dabei den Charakter des Arbeiters selbst vergessen, und Satan ist stets beim Versuch anzutreffen, die Arbeit zu zerstören, indem er in den Arbeiter eindringt und ihn dabei verdirbt. Er wollte das große Werk zerstören, das Christus zu tun gekommen ist – diesen himmlischen Menschen einzuführen – indem er den Menschen zerstören wollte, der gekommen ist, um es zu vollbringen. Stets versuchte er, einen Eingang in diesen Menschen zu finden mit dem Ziel, das Werk zu vernichten, für das Er gekommen ist. Das ist sehr klar, und wir müssen sehr aufpassen, dass wir nicht so sehr mit dem Werk des Herrn beschäftigt sind, dass wir unser eigenes geistliches Menschsein vernachlässigen; d.h. dass wir die Notwendigkeit vergessen, immer Christus ähnlicher zu werden. Denkt darum stets daran, dass es die Natur, der Charakter des Gott gemäßen Menschen ist, auf die es ankommt, und wenn das stimmt, bedeutet dies sehr tiefe Formungsprozesse.
Gleichförmigkeit mit Christus
a. Durch äußere Absonderung
Tiefe Formungsprozesse zunächst durch äußere Absonderung. Das ist etwas, das von unserem Herrn Jesus gesagt wird, dass er «abgesondert war von den Sündern» war (Hebr. 7,26). Und wenn ich dieses Wort «Absonderung» verwende, dann benutze ich lediglich ein allgemeineres und gewöhnlicheres Wort für das große biblische Wort «Hingabe (consecration)» oder «Heiligung», die beide im Urtext dasselbe Wort sind. Hingabe oder Heiligung bedeuten einfach – dass wir für Gott ausgesondert wurden. Es beginnt mit äußerer Absonderung. Abgesondert – also nicht den gleichen Weg gehen wie die andern; nicht zu versuchen, sich mit den andern gut zu stellen; keine Politik, keine Diplomatie, sondern vollkommen bereit, einen fundamentalen Unterschied anzuerkennen und alle Konsequenzen dafür auf uns zu nehmen, dass wir als etwas anderes in der Welt sind, als was die Welt sonst kennt.
b. Durch innere Absonderung
Dann aber auch tiefe Formungsprozesse durch innere Absonderung. Israel war in der Wüste äußerlich abgesondert, nicht jedoch innerlich. Dies ist der Grund, warum der Verfasser des Hebräerbriefes, wenn er seine Geschichte erzählt, mit dem Leben Israels in der Wüste jene Worte ver: «Denn das Wort Gottes ist lebendig und wirksam und schärfer als jedes zweischneidige Schwert und durchdringend bis zur Scheidung von Seele und Geist, sowohl der Gelenke als auch des Markes» (Hebr. 4,12). Ihr stellt fest, dass der Kontext von Israel in der Wüste redet, und die Bedeutung dieser Worte ist deshalb die, dass während die Israeliten äußerlich von Ägypten und den Nationen abgesondert waren, sie innerlich keineswegs abgesondert waren: es musste etwas in ihrem Inneren getan werden, um Seele und Geist, Gelenke und Mark, von einander zu trennen; eine tiefe innere Absonderung musste geschehen. Das kann nicht mechanisch bewerkstelligt werden. Es ist ein tiefes inneres Werk Gottes, das uns dazu bringt, dass wir im Herzen beschnitten werden.
c. Indem wir Ihn betrachten
Ich bitte euch bloß, den Herrn Jesus zu betrachten. Wenn wir wirklich mit dem Herrn voranschreiten, werden wir früher oder später dazu zurück geführt, die Hauptbetonung auf den Herrn Jesus selbst zu legen. Viele anderen Aspekte der göttlichen Offenbarung mögen von Zeit zu Zeit die Dinge sein, die unser Interesse, unsere Beschäftigung und unsere Sorge erwecken, doch früher oder später wird der Geist Gottes uns vom Rand ins Zentrum zurück führen, und der letzte umfassende Gegenstand, der das einzige Anliegen des Geistes ist, wird schließlich auch unseres – der Herr Jesus selbst. Wir werden zurück kommen – mit allem Wertvollen von jedem andern Teil der Offenbarung – wir werden zu den Evangelien zurück kehren, und wir werden gedrängt, aufs Neue, vom Standpunkt des Himmels, auf Jesus von Nazareth zu blicken und diesen himmlischen Menschen unter dem Feuer sehen, unter dem Test, was für eine Art von Mensch Er ist, wie Er sich benimmt, wie Er reagiert, Seine Veranlagung, Sein Temperament, alles an Ihm. Und ich sage hier: Betrachtet Ihn, lest aufs Neue, ruhig, unter Gebet, gedankenvoll, lest aufs Neue das Leben Jesu vom Gesichtspunkt der inneren Absonderung aus. Seht, wie der Satan ständig versucht, diesen Graben der Absonderung zu schließen, Dinge zusammen zu bringen, Dinge zusammen zu mixen, die doch zwei verschiedenen Bereichen angehören. Wie fein war doch manchmal die Grenzlinie, und wie absolut notwendig war es für Ihn, für sein persönliches Schicksal (so argumentierte die natürliche Vernunft), gewisse Linien, einen gewissen Kurs zu adoptieren. Alles hing manchmal davon ab, dass Er gewisse Dinge tat, und doch wollte Er sie nicht tun. Satan konnte diesen Graben der inneren Absonderung nicht schließen; Er bewahrte die Dinge an ihrem richtigen Ort. «Dies gehört zu dem Bereich, das zu jenem; das ist vom Himmel, und das stammt vom Menschen». Tiefe Formungsprozesse durch innere Absonderung. Das ist das Werk, das Gott in dir und mir zu tun versucht.
d. Durch Leiden
Und dann bedeutet es natürlich auch Leiden. Er wurde durch Leiden vollkommen gemacht; es gibt auch für uns keinen andern Weg. Wir sind noch nicht vollkommen, aber wir stehen auf demselben Grund der göttlichen Methode. Vollkommen gemacht durch Leiden. Diese Menschheit, diese himmlische Menschheit, wird nur durch Leiden entstehen. Es ist besser, wenn ihr das begreift. Wir lieben es nicht. Das scheint nicht die Art von Christentum zu sein, das uns in populären Begriffen offeriert wurde. Uns wurde so vieles versprochen, falls wir Christen würden, es wurde alles so rosig dargestellt. Nein, Er tat das nie. Er sagte: «Ihr könnt nicht meine Jünger sein, es sei denn, ihr verleugnet euch selbst, ihr sagt nein zu euch selbst und nehmt das Kreuz auf euch; ihr könnt nicht meine Jünger sein, es sei denn, ihr hasst eure eigene Seele und seid bereit, sie zu verlieren» (was bedeutet, sie in den Tod zu geben: Lk. 14,26.27.33; Mt. 10,38.39; Mt. 16,24). Es bedeutet Leiden, tiefe innere Formungsprozesse Christus, Gottes himmlischem Menschen, gemäß, und zwar durch äußere Absonderung, durch innere Absonderung und Leiden. Dies ist der Weg, den Christus ging. Er hat Seinen Jüngern und Seinen Knechten keinen andern Weg angeboten.
Natürlich scheint es sehr düster, wenn wir es damit bewenden lassen, jedenfalls nicht sehr attraktiv; doch haben wir noch keinen langen Weg zurück gelegt und sind auch noch nicht fertig. O, wozu doch dieser Mensch in Christus, dieser gemeinschaftliche Mensch, dieser Leib Christi bestimmt ist! «Was ist der Mensch, dass du ihm die kommende bewohnte Erde anvertraust, von der wir sprechen?» (Hebr. 1,5.6). Und mehr als das: «Wisst ihr nicht, dass wir Engel richten werden?» (1. Kor. 6,3). Ich will damit nicht fortfahren. Ich weise bloß darauf hin, um es als Ergänzung zu dem hinzustellen, was im Blick auf dieses Thema des Leidens eher wie eine düstere Situation aussehen mag. «Wenn wir mit Ihm leiden, werden wir auch mit Ihm verherrlicht» (Röm. 2,12). «Wenn wir ausharren, werden wir auch mit Ihm herrschen» (2. Tim. 2,12). Ihr seht, es geht wieder nicht darum, dass wir jemanden objektiv in die Position eines regierenden Monarchen versetzen. Es geht um geistlichen Charakter. «Selig sind die Sanftmütigen; denn sie werden das Erdreich besitzen» (Mt. 5,5).
Was der Herr zu diesem Zeitpunkt zu uns sagen möchte, ist folgendes: «Wisst ihr, wozu ihr in dieser Welt seid? Wisst ihr, warum ich meine Hand ausgestreckt und sie auf euch gelegt habe, warum ihr ein Christ, ein Kind Gottes seid? Kennt ihr die Bedeutung von all dem? Es geschieht, um aus euch einen Menschen nach meinem ursprünglichen und bleibenden Gedanken und meiner Absicht zu machen, um euch in diesen Menschen hineinzuversetzen». Ich fürchte, die Schwestern glauben, sie seien darin nicht enthalten, aber denkt daran, dass Er sie am Anfang (beide) Mensch nannte. «Als Mann und Frau schuf Er sie ... und gab ihnen den Namen «Mensch» (Adam – Genesis 5,2). Ihr seid also darin inbegriffen. «Da gibt es weder Mann noch Frau: denn ihr seid alle einer (ein Mensch) in Christus Jesus» (Gal. 3,28). Ja, das gilt für uns alle. Es geht um eine Menschheit, um eine ganz bestimmte Art von Mensch-sein, das Gott immer beabsichtigt hat, und wenn ihr meint, dies sei eine bloße Theorie, habt ihr denn keine Erfahrungen gemacht, die mit dem, was ich gesagt habe, übereinstimmen? Jeder von uns weiß, wie wahr das doch ist. Hinter was ist Gott her? Warum seid ihr in die Umgebung versetzt worden, in der ihr euch befindet? Warum ist es so, dass Gott uns nicht solche netten Situationen und Umstände gibt, wie wir sie begehren und es für uns nicht einfach leicht macht? Warum hat es eher den Anschein, dass Er es für uns hart macht, dass Er uns an harte Orte hinstellt, und uns nicht befreit oder bewahrt vor solchen anstrengenden Umständen? Warum wird der Ofen für die Heiligen sieben mal geheizt, für Männer, die doch mit Gott wandeln? Nun, was hat das mit uns zu tun? Ist nicht genau das der notwendige Hintergrund, um Christus gemäß geformt zu werden? Wo haben denn die charakteristischen Merkmale Gelegenheit, sich zu manifestieren, wenn nicht in widrigen Umständen? Die Liebe hat keine Bedeutung ohne den Hintergrund des Hasses. Sie ist dann sehr oberflächlich, sie ist schwach, jedenfalls nicht real. Wenn ihr lest: «Nachdem Er die Seinen, die in der Welt sind, geliebt hat, liebte Er sie bis ans Ende» (Joh. 13,1), dann sagt ihr: «Das ist ein Wunder». Wenn ihr die Prophetien von Hosea lest und seht, wie Gott Sein Herz über Israel enthüllt, über das untreue Israel, die untreue Ehefrau, die ehebrecherische Gattin, und dann doch mit gebrochenem Herzen ausruft: «Wie soll ich dich je preisgeben!», dann müsst ihr sagen: «Das ist Liebe». Ihr erkennt das nur im Licht dieses Hintergrundes. Und so kann diese himmlische Menschheit auch nur entwickelt werden vor einem Hintergrund, der dem so entgegensteht. Darum versetzt Er dich mitten unter Menschen, die so irdisch, sinnlich, dem alten Adam gleich sind. Darum ruft Er die Christen auf, sie sollen zusammen leben vor dem Hintergrund des gegenseitigen alten Menschen. Wenn wir nur mit all jenen netten Christen ziehen könnten, dann wäre alles so einfach! Dann würdet ihr aber keinen himmlischen Charakter entwickeln, würde der Herr diese Linie verfolgen. Gott ist praktisch. Wir wissen, dass es für Gott keinen andern Weg gibt, auf dem Er uns ändern kann. Er gibt uns dort, wo wir gerade sind, eine erstklassige Gelegenheit, Charaktereigenschaften zu entwickeln, die überhaupt nicht vom alten Menschen stammen können; sie stammen vom neuen Menschen; das ist die einzige Erklärung.
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