von
T. Austin-Sparks
Zuerst veröffentlicht in den Zeitschriften "Toward the Mark", Jan-Feb 1972, Vol. 1-1. Originaltitel: "God's Call to the Life Above". (Übersetzt von Manfred Haller)
Die Psalmen 120 bis 134 bilden einen kleinen Band für sich, bekannt unter dem Namen «Aufstiegsgesänge». Sie reden vom Aufstieg aus dem tiefen, dunklen Tal zu den sonnigen Höhen, wo der Herr sein Volk stets haben möchte.
Der Psalm 84 spricht davon, dass wir durch das Tal der Tränen hindurch gehen müssen, doch sollten wir in diesem Zusammenhang die Worte «durch…hindurch» unterstreichen, denn dieses Tal war nie dazu gedacht, zum Wohnort des Volkes Gottes zu werden, sondern bloß als Durchgang, den es passieren muss. Zion, die gebirgige Heimat, ist der Ort, wo Gott möchte, dass sein Volk wohnt. Ist ist sicherlich sehr lehrreich, zu beachten, dass der Herr als Bestimmung in Israel periodische Aufstiege angeordnet hat; alle Männer mussten dreimal im Jahr nach Jerusalem hinaufziehen. In Gottes Vorstellung waren diese Vorschriften zum Aufstieg (nach Jerusalem) ihrer Natur nach Regierungsanweisung; das heißt, das Volk Israel sollte nicht von Ebenen und Tälern beherrscht werden, sondern sollte ein Volk der Berge sein. Sie mochten Zeit, möglicherweise sogar viel Zeit, unten verbringen, doch ihr normales Leben wurde ständig durch den Befehl unterbrochen, hinaufzuziehen. Ihr Leben, ihr eigentliches Leben, fanden oben in der Höhe statt. Hätten wir uns ihren
Karawanen anschließen können, wenn sie sich dreimal im Jahr aufmachten und in Marsch setzten, indem sie ihre Täler und Ebenen verließen und hinauf nach Jerusalem zogen, hätten wir festgestellt, dass diese Reisen einen ungeheuren Einfluss auf
das Leben des Volkes ausübte. Diese Lieder zum Beispiel wurden Lieder für alle Zeiten; sie wurden gedichtet für die Aufstiege bei jenen besonderen Gelegenheiten, doch blieben sie nicht für die drei Male im Jahr reserviert, sondern wurden zu ständigen Liedern in Israel, in denen wir vieles von bleibendem Wert finden. Der Grund liegt darin, dass es nicht im Sinne des Herrn ist, wenn sein Volk an den tiefliegenden und schattigen Plätzen wohnt, obwohl sie von Zeit zu Zeit die Täler durchschreiten mussten, vielmehr sollten sie ein Volk der Höhen sein, wobei ihr Leben von dem beherrscht wird, was droben ist, und nicht durch das, was unten ist.
Es hat mich sehr beeindruckt, welch großen Platz Berge im Leben und Dienst des Herrn Jesus einnahmen, wie man es im Matthäusevangelium bestätigt finden kann, das ja in Kapitel 5 mit der Bergpredigt beginnt und im Kapitel 28 mit dem Berg
der Beauftragung (der Jünger) endet. Man kann durch das ganze Evangelium hindurch feststellen, dass Gipfelereignisse stets mit Bergen verbunden waren, als würden diese eine Antwort, eine Reaktion im Herzen und der Natur unseres Herrn
finden. Trifft es nicht zu, dass Jesus herabkam und durch dieses Tal der Tränen schritt, um uns zu begegnen und uns daraus empor zu heben?
Sein ganzes Leben war, in jedem Aspekt und jeder Aktivität des Betens, Lehrens und Wirkens, ein Leben auf einer sich aufwärts bewegenden Ebene, eine sich erhebende, zurückkehrende Bewegung zum Himmel, die mit ihm so viele andere wie
möglich mitnehmen sollte. Es gab nichts auf dieser niedrigen Ebene der Wege der Welt, das ihm irgend welches Vergnügen bereitete, darum überrascht es uns nicht, dass er die Bergeshöhen liebte. Schon die Natur und der Geist des Herrn Jesus war ein vollständiger Widerspruch zum natürlichen Verlauf des menschlichen Fortbewegens, welches stets tiefer und tiefer abgleitet. Der Herr Jesus steht in direktem Kontrast dazu; die ganze Wirkung und der ganze Einfluss seiner Gegenwart irgendwo war es, emporzuheben. Er kam nur auf dem Wege dieses Tals der Tränen, um uns daraus heraus emporzuheben.
Überlegenheit
Berge repräsentieren und deuten auf Erhebung, Überlegenheit hin - «Ich erhebe meine Augen zu den Bergen». Unsere Augen von dem, was hier ist, wegzuwenden - vom Ich, von den Umständen und von allem übrigen - und sie auf den zu richten, welcher der Herr ist über allen, hoch und erhaben auf dem Thron, ist an sich schon eine erhebende Erfahrung. «Wegzublicken hin auf Jesus» ist das eine, das uns aus dem Tal der Verzweiflung herausbringt, denn worauf unser Blick ruht, beeinflusst den Lauf unseres Lebens. Es ist in jeder Hinsicht eine erhebende Erfahrung, mit dem Herrn im Himmel vereint zu werden; es ist moralisch erhebend, und geistlich befreiend.
Was die meisten von uns möglicherweise benötigen, ist eine höhere Ebene des Lebens. Wir sind zu klein. Unser Tal ist ein eingedämmter Ort, es ist eng und begrenzend. Wir müssen auf die Berge hinaufsteigen, um Erweiterung zu finden, mit dem
Gefühl, von der Kleinlichkeit des Lebens, von seiner Kleinheit und Geringfügigkeit befreit zu werden. Wenn dies im natürlichen Bereich zutrifft, dann hilft es uns, eine geistliche Wahrheit zu interpretieren, indem es uns daran erinnert, dass Gott uns «zusammen mit Christus auferweckt» hat. Ein sehr großes Maß an Schwierigkeiten, Schwächen und sogar Lähmungen sowohl in individueller als auch kollektiver Beziehung in der Gemeinde, die wir erleiden, ist auf unsere Unfähigkeit zurückzuführen, unsere wahre Position in den himmlischen Regionen in Christus aufrechtzuerhalten. Wenn wir nur höher hinauf gelangen könnten, wenn wir uns nur auf höheren Grund zubewegen und die Dinge hinter uns lassen könnten, die zu den Schatten und Ausdünstungen gehören, dann würden wir uns darin wiederfinden, dass wir im Segen des mächtigen Willens Gottes in uns leben.
Sicherheit
Dann, wie der Psalmist andeutet, kommt vom Berg nicht nur Überlegenheit, sondern auch Sicherheit. «Wie die Berge um Jerusalem sind, so ist der Herr rund um sein Volk…». Die Höhen war die Orte für Festungen, für Zufluchtsstätten. Und unsere Stärke, unsere Sicherheit besteht darin, dass wir von den niedrigen Dingen wegkommen, dass wir hinter uns lassen, was gering und verachtenswert ist, und hinaufzugelangen zur Gemeinschaft mit dem Herrn in der Höhe. Auf den niedrigen
Ebenen werden wir zum Spielball schlechter Einflüsse und Gegenströmungen - es gibt stets böse Mächte, die da unten im Dunkeln am Werke sind. Wir werden Befreiung und Sicherheit finden, wenn wir uns auf einen höheren Grund hinaufbegeben.
Der Teufel und die bösen Mächte sind ungeheuer bemüht, uns herunter zu holen und uns unten zu halten, so dass sie uns belästigen und unser geistliches Leben übel zurichten können. Herab…, herab…, das ist die Fahrt und die Richtung des
Bösen, der plant, uns herabzuzerren und uns unten an einem Platz zu halten, wo er stark ist. Unsere Zuflucht ist es nicht, auf diesem niedrigen Grund zu kämpfen, sondern auf die Höhen zu fliehen, zum Herrn zu entrinnen an den verborgenen Ort des Allerhöchsten.
Ich denke, der Herr Jesus hat genau das getan. Zu dem Zeitpunkt, da er sich all des Drucks und des Zuges nach unten von allen irdischen Bedingungen und Enttäuschungen selbst mit seinen eigenen Jüngern bewusst war, sagte er: «Lasst mich
eine Weile in die Berge zu meinem Vater fortgehen». So war er imstande, wunderbar gestärkt zurückzukehren, und wir können dasselbe tun, indem wir unsere Fluchtweg durch die Gemeinschaft mit Gott auf den Höhen finden.
Sicht
Da ist ein weiterer Punkt in Bezug auf Berge, ein ziemlich offensichtlicher, und es ist der, dass sie Orte der Sicht sind, Orte, von denen aus man große Distanzen sehen kann. Am Ende der Bibel werden wir zu einem außerordentlich großen und
hohen Berg geführt, wo uns die heilige Stadt gezeigt wird, das neue Jerusalem, sodass die letzte Szene der Bibel eine Bergszene ist, und der Berg ist tatsächlich ein Berg der Vision, der Sicht, der die Gemeinde im vollen Ausdruck ihrer himmlischen Herrlichkeit zeigt. Ganz gewiss ist es von überragender Wichtigkeit, dass das Volk Gottes eine erweiterte Sicht bekommt. Unsere Sicht ist zu klein, unser Sinn im Leben ist zu klein; unsere Vorstellung von der Errettung ist so oft zu klein. Wir haben die Neigung, unsere Gedanken so sehr einzuengen, dass es für uns wichtig ist, auf den Berg der Sicht hinaufzusteigen, denn der Verlust der Sicht bringt stets einen Zerfall mit sich. Jene Christen, die keinen großen Sinn für Gottes Vorsätze und für seine Fähigkeit haben, sein Ziel zu erreichen und seine Absichten zu erfüllen, finden sich der Gnade und der Zweifel und Ängste ausgeliefert, die den Menschen hier auf dieser Erde zur Strecke bringen.
Gravitation nach oben
Vielleicht stimmt der Leser all dem zu, was gesagt worden ist, und dennoch ist er verwirrt, wie eine solche Erhebung zu den Höhen vor sich gehen kann. Die Antwort lautet, dass es bereits eine wirksame Kraft in der neuen Natur des Christen gibt.
Der Anfang des Christenlebens ist die Entdeckung, dass Christus vom Himmel gekommen ist, um uns zurück in den Himmel zu bringen, und dass er uns so Leben von oben gegeben hat. Von dem Tage an, da ein Mensch wirklich in eine lebendige Verbindung zu unserem auferstandenen und erhöhten Herrn kommt, dann beginnt in ihm ein Prozess der Gravitation nach oben. Nun entdeckt er, dass er eigentlich nicht wirklich zur Erde gehört, sondern dass er eine himmlische Natur hat, die auf Gottes Ruf zu einem Leben in der Höhe reagiert. Und während er voranschreitet, stellt er fest, dass sein neues Leben ihn weiter und weiter von der Welt wegführt, in der er lebt, und obwohl dies ihn in gewisse Schwierigkeiten und sogar Verlegenheiten verstrickt, kann er sich hier nicht mehr zuhause fühlen wie er es einst konnte. Dieser innere Zug ist der Beweis dafür, dass er ein Kind des himmlischen Landes ist.
Die Vollendung des Lebens des Gläubigen geschieht in Richtung nach oben - denn er soll ja entrückt werden, um für immer beim Herrn zu sein. So ist das Leben eine ständige Bewegung nach oben, von seinem Anfang an bis an sein glorreiches Ende. Das bedeutet, dass er, wie sein Herr, lernen muss, auf die himmlische Gravitation zu reagieren, er soll nicht an den irdischen Interessen und Besitztümern hängen, und er soll auch nicht durch irdische Überlegungen gebunden werden, sondern stets eine innere Antwort auf den Ruf des Himmels geben.
Was Christus selbst betraf, illustrierte selbst sein physischer Aufstieg auf den Berg, wie eifrig er es hatte, auf diesen Ruf zu reagieren. Und ich glaube, dass, als er schließlich zum Vater emporstieg, sein Herz voll war mit der tiefsten Befriedigung
am Heimkehren. Es wird gewiss bei uns genau gleich sein. Wir werden nicht zögernd und mit Bedauern einhergehen; nein, wir werden uns dahin erheben, wo wir hingehören und wofür wir geschaffen wurden. Wir werden uns zur endgültigen
Überlegenheit erheben, und indem wir dies tun, werden wir allem in unserer neuen Konstitution entsprechen. Geistlich gesehen sind wir ein Bergvolk. Lasst uns nun Tag für Tag nach der Gnade trachten, so dass wir alles, was uns an die Erde
, von uns weisen und uns weigern, im Tal zu wohnen. Vielleicht müssen wir oft durch es hindurch, aber wir dürfen uns nie hier unten niederlassen, denn wir gehören zu den Höhen in Christus. «Wir haben hier keine bleibende Stadt, doch
wir suchen nach der kommenden» (Hebr. 13,14).
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