von
T. Austin-Sparks
Zuerst veröffentlicht in den Zeitschriften "Toward the Mark" Mai-Juni 1972, Vol. 1-3. Originaltitel: "Coming Down From God Out of Heaven". (Übersetzt von Manfred Haller)
Gedanken zum Neuen Jerusalem
Schriftlesung: Offenbarung 21 und 22
Das nächste große Ereignis in Gottes Kalender ist die Wiederkunft seines Sohnes in Herrlichkeit. Es ist die Vollendung dieser Wiederkunft und die letztendliche Offenbarung der Herrlichkeit Christi, die uns in der Gestalt dieser himmlischen Stadt gezeigt wird, die «von Gott aus dem Himmel herabsteigt». Diese bräutliche Stadt repräsentiert die Summe des Wirkens Gottes durch die Zeitalter hindurch. Ihre vielen Symbole manifestieren die Charakterzüge seines Sohnes, wie sie in das Volk hinein gewirkt wurden, das er aus den Nationen für seinen Namen genommen hat, eine wunderbare Einheit zwischen Christus und seiner Gemeinde, welche die zeitlose Aufgabe haben wird, dem Universum Leben zu vermitteln. Die Nationen sollen in ihrem Lichte wandeln, und sie sollen durch die Blätter von ihren Bäumen gesund erhalten werden; Könige sollen ihre Schätze in diese Stadt hineinbringen, und die Herrlichkeit Gottes wird für die Beleuchtung sorgen.
Johannes bestätigt zweimal, dass ihm die Stadt von Gott gezeigt worden sei - «Er zeigte mir...». Vielleicht wird Gott, wenn wir demütig lesen und darüber nachdenken, uns etwas von ihrer Bedeutung und ihrer Wichtigkeit zeigen, und uns aufgrund ihrer Symbole eine klarere Vorstellung von den unsichtbaren und ewigen Dingen geben, die wir im Blick behalten sollten, damit «unsere leichte Trübsal» für uns «ein überragendes und ewiges Gewicht von Herrlichkeit» bewirken wird (2. Kor. 4,17-18).
Die Straße
Die «Authorized Version» macht einen Unterbruch zwischen den ersten zwei Versen von Offenbarung 22, was irreführend ist. Die «Revised Version» zeigt an, dass der Strom sich in der Mitte der Straße dieser heiligen Stadt befindet. Die eine Straße ist zentral; ein Strom fließt in der Mitte der Straße, und der Baum des Lebens wächst auf beiden Seiten des Stromes. Nichts ist in der Mehrzahl, nicht einmal dieser Baum, obwohl er sich auf beiden Seiten der Straße befindet. Bis zu diesem Punkt waren die Dinge immer in der Mehrzahl. Das Leben hat viele Weisen, sich auszudrücken, wie die vielen Bäume von Hesekiels Fluss zeigen (Hesekiel 47,4). Am Ende jedoch wird alles in einer absoluten Einheit zusammengefasst: Eine Stadt, eine Straße, ein Fluß und ein Baum. Es ist ein symbolischer Hinweis darauf, dass am Ende alles in eine vollkommene Einheit münden wird, in die Einheit Christi.
Eine solche Einheit kann nur in der Gemeinschaft des Geistes verwirklicht werden, doch das ist sicherlich nicht nur für die Zukunft der Fall, sondern für heute. Die Stadt wird geistlich gesehen jetzt gebildet, und das Werk geschieht jetzt als Vorbereitung für die große Vollendung, die es offenbart; wenn die Gemeinde Gottes Metropole mit einer ewigen Bestimmung im Zentrum des Universums sein soll, dann muss sie hier und jetzt die Einheit mit und in Christus lernen. Eine Straße! Diese Einheit, direkt im Herzen der Gemeinde, ist sowohl für ihr gegenwärtiges Zeugnis als auch für ihre ewige Bestimmung grundlegend. Die eine Straße hat einen Strom, was bedeutet, dass aus der inneren Gemeinschaft mit Christus Leben hervor strömt. Die Stadt ist natürlich das höchste Ziel, auf das sich der Heilige Geist zu bewegt, doch dasselbe Gesetz gilt für alle Zeiten. Unsere Berufung auf Erden hier und jetzt besteht nicht nur in erster Linie darin, dass wir uns für eine Anzahl guter Werke engagieren, sonder um für einen Weg zu sorgen, auf dem das Leben Christi zu andern hinausströmen kann. Wie kann dies letztlich geschehen, wenn es nicht jetzt beginnt? Wie können wir uns für eine letzte Einheit begeistern, wenn wir uns nicht hier und jetzt bemühen, die Einheit des Geistes zu bewahren?
Wenn dies so ist, dann ist es kaum nötig, darauf hinzuweisen, dass das strategische Vorgehen des Feindes gegen den Vorsatz Gottes in der Gemeinde darin besteht, diese Gemeinde zertrennt zu erhalten, grundsätzlich getrennt. Bloße Bekenntnisse zur Einheit machen ihm nichts aus, auch bereiten ihm äußere Illusionen von Einheit keinerlei Schwierigkeiten; was ihm aber sehr wohl ein Dorn im Auge ist, ist eine tief in das Wesen hinein gewirkte Einheit, die Gottes großen Strom des Lebens freisetzt, damit er in eine bedürftige Welt hinausströmt. «Ich will dir die Braut zeigen, die Frau des Lammes», waren die einleitenden Worte, die Johannes dazu brachten, dass er das große himmlische und heilige Jerusalem in seiner glorreichen Herrlichkeit sah. Ungeteilte Liebe zu Christus, wie die Liebe der Braut für ihren Bräutigam, ist der einzige sichere Gegenangriff auf die Schliche des Feindes, und die einzige Basis für echte Einheit.
Das goldene Rohr
Die Stadt wurde mit eine goldenen Rohr gemessen, und alles scheint Gottes Maßen zu entsprechen. Die ganze Vorstellung ist göttlich, und darum kann es nur nach göttlichen Standards gemessen werden, denn es soll den göttlichen Vorsatz zum Ausdruck bringen. Unsere Berufung in Christus stellt viele Forderungen an uns, doch wenn wir sie im Licht der ewigen Dinge sehen können, wird es viel leichter, sich ihnen zu stellen. Nicht etwa, dass es immer leicht wäre für unsere menschliche Natur, gemäß diesem goldenen Rohr der göttlichen Standards behandelt zu werden, doch wir können die Kosten leichter auf uns nehmen, wenn wir Gottes Ziel im Blick behalten. Ein herausragendes Charakteristikum der Stadt ist ihre absolute Durchsichtigkeit. Das trifft auf ihre Lebensweise zu, denn das Wasser ihres Stromes ist so klar wie Kristall. Aber es trifft auch auf ihre Substanz zu, denn sie besteht aus reinem Gold, das durchsichtig ist wie Glas. Ebenso trifft es auf ihr Licht zu, denn es wird beschrieben als «wie Jaspisstein, klar wie Kristall». Von diesem Stein wird auch gesagt, er sei «äußerst kostbar», was andeutet, dass ein solcher Zustand von Transparenz dem Herrn sehr kostbar ist.
Es bedeutet auch, dass wir, sein Volk, es als eine teure Qualität betrachten, eine, die wir nur erfahren können, wenn wir die Disziplin unter der Hand Gottes akzeptieren und uns eine geistliche Erziehung angedeihen lassen, die uns verfeinert und uns christusähnlich macht. Diese Klarheit ist nicht ausschließlich negativ, eine Art von makellosem Zustand, sondern es ist ein schatten- und wolkenloses Licht. Gott ist Licht: Christus ist das Licht der Welt, und der Dienst der Gemeinde ist der, dass sie sein Licht sowohl empfängt als auch weitergibt. Die Stadt strahlt mit der Herrlichkeit Gottes. Was ist das Gegenteil von Herrlichkeit? Es ist Finsternis, Bewölktheit, Trübheit; es ist der ganze Bereich, der nicht klar ist, sondern vermischt und schattenhaft. Wenn ihr schon mit einer Person zu tun hattet, der ihr nicht vertrauen konntet wegen verborgener Elemente, die, wenn sie nicht konkret hinterlistig waren, so doch irgendwie einer klaren Transparenz entbehrten, dann war das für euch sicher eine unangenehme Erfahrung, das genaue Gegenteil von Herrlichkeit. Wenn die Herrlichkeit Gottes alles erfüllt, dann gibt es keine solche Fragen oder Schatten, sondern vollkommenes, offenes Vertrauen. «In ihm gibt es überhaupt keine Finsternis...» (1. Joh. 1,5). Diese Herrlichkeit gehört uns aus Gnaden, und sie muss all unsere Wege beherrschen.
Alle Portale der Stadt bestehen aus Perlen. Perlen sind ein Gleichnis für die Kostbarkeit, die aus dem Leiden hervorgeht, weil sie gebildet werden als Ergebnis der Agonie der Wirtgeschöpfe. Diese Perlen sind die einzigen Tore. Es gibt keinen anderen Zugang zu dieser Stadt als durch leidende Liebe, denn das auserwählte Volk, das mit Christus herrschen soll, sind Leute, die zunächst etwas von seinen Leiden geteilt haben. Es nützt nichts, wenn wir nach einem oberflächlichen und leichten Weg spekulieren, um in eine Gemeinschaft dieser Art zu gelangen, denn die Liebe Christi, gereinigt von aller Vermischung und für Gott so kostbar, verlangt eine Hingabe an ihn, damit sein höchster Vorsatz erfüllt werden kann, auch die Kosten feurige Trübsal oder tiefe Geburtswehen bedeuten. Wir wollen uns aber dennoch nicht durch die Kosten abhalten lassen, sondern unsere Augen auf das Ergebnis richten - «sie hat die Herrlichkeit Gottes». Das ist unsere Bestimmung.
Die Mauer
Ein weiteres Charakteristikum dieser Verkörperung des Gedankens Gottes ist die Tatsache, dass die Stadt von einer «großen und hohen Mauer» umgeben ist. Vieles ist über diese Mauer gesagt worden, wiederholt sind ihre Grundsteine, ihre Dimensionen und ihre Stärke erwähnt worden. Das alles scheint die Besonderheit der Stadt hervorzuheben. Es trifft zu, dass Mauern oft zum Zweck der Verteidigung benutzt wurden, aber eine solche Notwendigkeit wäre bei der himmlischen Stadt nie angezeigt gewesen. Daraus folgern wir, dass die Mauer eine Demarkationslinie darstellt zwischen dem, was Gott auf besondere Weise auseinander gehalten haben will. Stimmt ihr dem nicht zu, dass es im heutigen Christentum viel Schwachheit gibt, ganz einfach weil es an der Unterscheidbarkeit des Zeugnisses und des Lebens fehlt? Nicht, dass Gott uns erlauben würde, dass wir uns geistlich betrügen und uns überheblich dünken, doch ist es wichtig, dass wir diesen Sinn für einen klaren Vorsatz und das Ausgesondertsein nicht verlieren, das stets das Leben seines erklösten Volkes beherrschen sollte.
Die Mauer ist wunderschön; sie ist hoch; und sie ist stark. Sie trennt das klar ab, was seine besondere Bedeutung und seinen besonderen Wert für Gott hat.
Geschmückt
«die von Gott aus dem Himmel herabsteigt, geschmückt...». Wenn diese Stadt die Verkörperung ewiger Werte sein soll, und wenn sie keine Sache, sondern ein Volk ist, dann muss etwas geschehen sein, das sie formte und zubereitete, so dass ein solcher Zustand überhaupt möglich werden konnte. Ihr werdet festgestellt haben, dass die Mauer der Stadt geschmückt war, und ebenso, und dass vom Schmuck dieser Mauer gesprochen wird, als sei es der Schmuck einer Braut. Die Mauer ist keine hässliche Demarkationslinie, sondern bereits ihre Fundamente sind mit allen möglichen kostbaren Steinen geschmückt. Die kostbaren Edelsteine sind einfach Symbole für die vielfältige Kostbarkeit Christi. «Für euch, die ihr glaubt, ist diese Kostbarkeit» (1. Petr. 2,7), die eigentliche Kostbarkeit Christi selbst.
Und die Braut ist ebenfalls geschmückt. Ihr Schmuck ist etwas mehr als bloß äußerlicher Glanz, den man aufsetzen und wieder ablegen kann; ihre Schönheit besteht aus jenen inneren Qualitäten, die das Herz ihres himmlischen Bräutigams entzücken. «Die Königstochter ist ganz herrlich im Innern; ihr Gewand ist mit Gold gewirkt» (Ps. 45,13). Wir sind geneigt, den Äußerlichkeiten besondere Aufmerksamkeit zu schenken, selbst in geistlichen Dingen, doch Gottes Ziel ist ein Volk, dessen inneres Leben schön ist mit dem reinen Gold der Lieblichkeit Christi, denn Christus wird kommen, «um in seinen Heiligen verherrlicht, und von denen, die glauben, bewundert zu werden» (2. Thess. 1,10).
Wenn dieser Schmuck vom Himmel herabkommt, wie gelangte er zuerst dorthin? Er ist das Ergebnis unseres Wandels mit Gott hier auf Erden. Wir leben hier unten unser Leben, und auch wenn wir oft entmutigt werden, treten wir doch immer wieder in neue Erfahrungen von Gottes Gnade ein und lernen mehr von seinem Sohn. Das Wort lehrt uns, dass die ganze Zeit etwas in unserem Leben hier unten geschieht, dass einem Schatz gleichkommt, der uns voraus geht und darauf wartet, dass wir ihm folgen. Während wir unseren Weg mit dem Herrn weitergehen, häufen sich himmlische Werte an für die Zukunft. Hat uns nicht der Herr Jesus gesagt, wir sollten uns Schätze im Himmel anlegen (Mt. 6,20)? So gibt es also, während sich unser zeitliches Leben abspielt, auch Werte, im Himmel oben gelagert werden, Charakterzüge von Christus, die seine Stadt schmücken werden. Unser geistliches Wachstum, unsere geistlichen Charakteristiken, gehen uns gleichsam voraus. Sie sind ewig; sie stammen nicht aus der Zeit. Und so geht all diese Zubereitung vor sich, darum wird uns gesagt: «wir, die wir sehen ... auf das Unsichtbare ... sondern ewig».
«Geschmückt wie eine Braut für ihren Mann». Was der Herr jetzt an uns tut, indem wir täglich neue Lektionen der Gnade und der Demut lernen, wird an jenem Tage manifest werden, und obwohl dies uns Genugtuung einbringt und anderen Freude, ist es zu allererst für das Vergnügen Christi gedacht. Der geistliche Schmuck der Gemeinde soll die Belohnung für unseren Bräutigam-Erlöser sein für all seine geduldige, leidende Liebe.
Die Stadt steigt vom Himmel herab, das heißt, sie ist dem Himmel gleichgestaltet worden. Sie wurde nicht aus dem Himmel ausgewiesen, weil sie da nicht hinein passte, sondern sie kommt herunter, um die Werte des Himmels in den Rest von Gottes Universum zu bringen. Wir müssen alles hier untern durch Werte messen, die himmlisch und ewig sind. Das bringt uns wieder zurück zum goldenen Rohr von Gottes Standards, das Rohr, das alles im Licht von Gottes Vorsatz misst und das einem verwunderten Universum die größe seines Sohnes zeigt, durch die Gemeinde, die in lebendiger und liebender Gemeinschaft mit ihm steht. Das ist das Ende aller Dinge. Hiermit schließt die Bibel. Und das ist unsere Berufung in Christus.
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