von T. Austin-Sparks
Kapitel 1 - Wie es am Anfang war
Wahrscheinlich unterliegen wenige Fragmente der Liturgie mehr der Wiederholung als dasjenige, aus dem der erste Teil genommen wurde. Gleichzeitig kann es als Exempel dienen für die Ignoranz und Bedeutungslosigkeit, mit der viele Sätze im Christentum ständig verwendet werden.
Was ist dieses ES, das am Anfang war, das jetzt ist und ewig sein wird? Die einzige echte Antwort wäre, dass wir das ES in ein ER verwandeln - «So wie ER war, so ist er jetzt, und so wird er immer sein».
Für den Rest gibt es wenige, wenn überhaupt irgendwelche Dinge, die diese Erklärung tragen können. Es ist ganz einfach diese Veränderung von Anfang an, die eine Immensität an Sorge und Überlegungen im Christentum verursacht hat, und besonders in der evangelikalen Christenheit. Der Anfang ist die Grundlage einer sehr großen Menge an Rückblicken, Neubeurteilungen, Rückrufe und Anstrengungen zur Wiederherstellung. Denn, was das Christentum angeht, so stimmt es ganz einfach nicht, dass, «so wie es am Anfang war, es jetzt ist». Gut, «Jesus Christus ist derselbe gestern, heute und in Ewigkeit», und die grundlegenden Wahrheiten des Christentums sind dieselben geblieben, doch zum größeren Teil Christenheit weit davon entfernt, «wie es am Anfang war».
Das ist keine neue Abweichung. Der Niedergang und die Abweichung begann bereits, bevor die Apostel ihren Lauf vollendet hatten, und ihre späteren Schriften sind von Korrekturen, Wiederrufungen und Reformen gekennzeichnet.
Dies hatte nicht nur etwas mit dem Charakter, den Worten und den ethischen Standards zu tun, sondern vorwiegend mit den geistlichen Prinzipien, auf denen das Christentum zuerst beruhte und durch die es ursprünglich konstituiert wurde. Es ist daher eine Tatsache, dass sich die eigentliche geistliche Konstitution, das Wesen und die Natur des «Anfangs» verändert hat oder verloren ging, was schuld ist an der beklagenswerten Veränderung, und - was nicht weniger tragisch ist - am Verlust von Einfluss, Autorität und Vertrauenswürdigkeit.
Es sind einige Elemente des Anfangs, auf die wir hier unsere Aufmerksamkeit lenken wollen. Wenn wir «Elemente» sagen, dann möchten wir so verstanden werden, dass wir damit nicht die «elementaren» Dinge meinen im Sinne der schlichten, rudimentären Regeln des Christentums. Vielmehr benutzen wir das Wort im Sinne von «elemental», was der Dictionnaire als «den Kräften der Natur entsprechend, groß, ungeheuer, unkompliziert, wesentlich» bezeichnet.
Es geht auch nicht einfach um die ersten ERSCHEINUNGSFORMEN, sondern um die wesenhafte, ihm innewohnende, konzentrierte Essenz und die lebendige Potenz der geistlichen Prinzipien hinter der äußeren Ausdrucksform. Dem möchten wir unsere Aufmerksamkeit widmen, denn wir sind nach langen und breiten Kontakten mit Christen und christlichen Angelegenheiten überzeugt, dass hier der wahre Schlüssel zu der Situation liegt.
Der Fehler bei den meisten Versuchen, den ursprünglichen Impakt, die Dynamik und Autorität des ersten halben Jahrhunderts des Christentums zurückzugewinnen, liegt in dem Punkt, auf den sich die Aufmerksamkeit richtet. Dinge wie Lehre, Form, Vorgehensweise und Werk beschäftigen die Aufmerksamkeit und beherrschen die Debatten. Aber auch wenn diese Dinge in verschiedener Hinsicht ernsthafte offene Fragen aufwerfen MÖGEN, mit ihnen zu beginnen hieße am falschen Ende zu beginnen, und wenn wir das tun, dann vergrößern wir nur die Verwirrung oder gelangen an einen toten Punkt. Das beste, das dabei herausschauen kann, wäre ein Kompromiss, und Kompromisse sind STETS ein Versagen, sich ehrlich und mutig den Wurzelursachen zu stellen und mit diesen zu verfahren. Wir leben in einem Zeitalter des Kompromisses auf jedem Gebiet, und wir befinden uns in einer Zeit der «verwirrtesten Verwirrung». Wir Christen wissen, dass die Weltsituation nie in Ordnung und gradlinig werden kann, es sei denn, derjenige komme, dem die Herrschaft rechtmäßig zusteht, aber Er wird keinen Kompromiss zulassen, keinen mittleren Kurs. Er wird an die Wurzel der Dinge rühren und DORT mit ihnen verfahren!
Für jedes Maß an Wiederherstellung von verlorener Kraft müssen wir hinter die Ergebnisse und Wirkungen gehen, seien diese im Bereich der Lehre, des Vorgehens, der Form oder des Werkes, und müssen unseren Finger auf die Ursachen legen. Es gab einen Grund und eine Ursache für den weltumstürzenden und weltverändernden Impakt des Christentums «am Anfang», und wie wir gesagt haben lag dies an den ewigen, himmlischen und geistlichen Prinzipien oder «Gesetzen», die im Innern und hinter dem steckten, was geschah. Es lag nicht an der voll ausgewachsenen lehrmäßigen Erkenntnis. Diese befand sich noch im Prozess des Bekanntwerdens.
Wenn Gott im Begriff steht, etwas zu initiieren oder zu formen, dann handelt er zuerst und erklärt nachher. Die Erklärung ist dann die «Lehre» oder «Doktrin». Das ist der sichere Weg. Die Lehre ist die Erklärung der Erfahrung. Es ist nur die umgekehrte Reihenfolge, wenn zuerst die Lehre präsentiert und dann wieder aufgegeben wird. Dann, wie im Fall der Propheten, sagt Gott, was er tun wird oder im Begriff steht, zu tun, und handelt entsprechend. Anfänglich wird gerade genug Licht gegeben, damit Gott daraufhin handeln kann. Diese Methode und dieses Prinzip Gottes kann man sowohl im Alten als auch im Neuen Testament sehen. Es ist stets wertvoll, wenn Gott Licht über das gibt, was er GETAN hat, so dass wir zu einem Verständnis seiner Wege gelangen, statt dass wir eine Menge Belehrung ohne die entsprechende Erfahrung bekommen. Wir sollten uns auf den Weg von Gottes Vorgehen und Handeln begeben, wenn dies tatsächlich so war.
Der ursprüngliche Impakt lag nicht in einer fest gefügten und etablierten Form der Vorgehensweise. Ganz sicher beruhte er nicht auf der Organisation oder den Institutionen. Denn diese existierten kaum, wenn überhaupt. Wir wiederholen, dass es Torheit ist, eine erhoffte Wiederherstellung anzustreben, indem wir uns eher mit den Wirkungen als mit den Ursachen befassen.
Lasst uns denn durch die Haufen christlicher Tradition und Geschichte nach den zugrunde liegenden Prinzipien graben.
Der Verfasser ist, während einer Zeitdauer von nahezu vierzig Jahren persönlichen Kontaktes mit der evangelikalen Christenheit in vielen Teilen der Welt, auf schreckliche Weise von einer grundlegenden Schwäche und einem grundlegenden Defekt beeindruckt worden. Dieser Defekt ist zweifellos ein Hinweis auf eine ganze Reihe von Abweichungen von dem, was man sich am Anfang vorstellte. Auch wenn die LEHRE vom Heiligen Geist wohl bekannt ist und ein schönes Stück Belehrung über diese Doktrin empfangen worden ist, sowohl von Auslegern persönlich, als auch durch eine Unmenge von Literatur über dieses Thema, gibt es dennoch gute Gründe dafür, die Frage aufzuwerfen, ob letztlich Scharen von - wenn nicht sogar die Mehrheit aller, Christen etwas über den Heiligen Geist im Sinne einer konkreten, aktiven inneren Präsenz wissen. Diese Frage wird noch unterstrichen durch den Wandel, die Zustände und die Unwissenheit, die die Lehre des Neuen Testamentes krass verleugnen.
Jesus sagte vom Heiligen Geist, «er wird in euch sein», «er wird euch (als der Innewohnende) in die ganze Wahrheit leiten», «von dem Meinen wird er nehmen und es euch zeigen», usw. Johannes sagte durch den Geist (zu allen wahren Christen, nicht bloß zu besonderen, zu Leitern oder Lehrern): «Die Salbung, die ihr von ihm empfangen habt, bleibt in euch, und ihr habt nicht nötig, dass irgend jemand euch belehrt; sondern ... seine Salbung wird euch über alles belehren» (1. Joh. 2,27). Auch wenn dies sich eine besondere Angelegenheit bezieht, nämlich auf den Antichristen, so ist doch das Prinzip, nach Jesus, von breiterer Anwendung und bedeutet auch, dass der Heilige Geist IM INNERN ein Schiedsrichter ist, der den Gläubigen bewusst macht, was von Gott ist und was nicht. Es ist etwas, das sich nicht auf einen fortgeschrittenen Standpunkt im geistlichen Leben bezieht, sondern schon auf Anfang: «Der Geist selbst bezeugt mit unserem Geist, dass wir Kinder Gottes sind» (röm. 8,16). Das Gesetz des Geistes des Lebens ist eine ständig wachsende Realität und Anwendung als das eigentliche Gesetz des geistlichen Fortschritts. Es ist keine geringere Angelegenheit als jener große Faktor geistlichen Verständnisses und geistlicher Einsicht, mit der sich das Neue Testament so weitgehend befasst.
Lasst mich sogleich hinzufügen, dass dieses Prinzip den Christen nicht unabhängig macht von Unterweisung durch gesalbte Lehrer, auch schafft es in keiner Weise eine Position des «über der Schrift Stehens». Der Heilige Geist wird immer dem Worte Gottes gemäß arbeiten, und er wird uns NIEMALS, auf keinen Fall, darüber erhaben oder unabhängig davon werden lassen. Nichts als eine äußerste Gefahr der Verführung könnte aus einer solchen Interpretation oder «Erleuchtung» oder «Führung» hervorgehen, die uns eine solche Unabhängigkeit oder Überheblichkeit suggeriert. Dennoch, die INNERE Herrschaft, Erleuchtung und das innere Zeugnis des Heiligen Geistes ist ein grundlegender Faktor in dem, «was am Anfang war». Tatsächlich geht es an die eigentliche Wurzel der Natur des neutestamentlichen Christenlebens; an das entscheidende WESEN eines wahren Kindes Gottes. Beides entscheidet darüber und definiert, das, was wir die neue und ganz andere «Spezies» nennen könnten, die zu sein die Christen bestimmt waren.
Wenn der Apostel Paulus den Satz benutzt: «derjenige, der geistlich ist» (1. Kor. 2,15) beschreibt er genau den Unterschied zwischen zwei verschiedenen Kategorien von Leuten. Er unterscheidet sie nicht nur, sondern er beschreibt sie auch. Einer Kategorie fehlen, sagt er, bestimmte Fähigkeiten, Begabungen und Qualifikationen, die mit Erkenntnis, Unterscheidungsvermögen, Urteilskraft und Verständnis zu tun haben. Die andere Kategorie unterscheidet sich gerade durch diese Fähigkeit und Qualifikation. Doch ist es nicht eine Begabung, die wir nach der Neugeburt empfangen. Vielmehr ist sie in der Neugeburt inbegriffen und ein Bestandteil des neuen Lebens. Es heißt: «derjenige, der geistlich IST»; derjenige, der eine bestimmte Art von Wesen ist. Von diesem Wesen wird gesagt, es sei aus dem Geist geboren worden, im Unterschied zu dem aus dem Fleisch Geborenen; von Gott geboren im Unterschied zu dem, der aus dem Willen des Menschen stammt. Dieser Unterschied ist das Ergebnis einer Ankunft. Es ist die Ankunft des Geistes IN den Geist des hingegebenen Christen HINEIN. Sicherlich muss es jedem einleuchten, dass die innewohnende Gegenwart eines solchen als «der Geist des lebendigen Gottes», Gott der Heilige Geist, zu mehr bestimmt ist als zu einer passiven, inaktiven, unerleuchteten, unbegabten Kraft und Intelligenz.
Es ist etwas Erfreuliches, zu sehen, wie Menschen ihr Leben, ihr Verhalten, ihre Art zu reden und sich zu kleiden, ihre Gewohnheiten, ihre Einstellungen usw. ändern und anpassen, und zwar nicht weil von anderen ein Gesetz festgelegt wurde - sei es von einem Prediger oder einer andern Person - sondern weil der Heilige Geist im Innern gesprochen und ihnen seinen Sinn bezüglich solcher Dinge kundgemacht hat. Es gibt zahlreiche Dinge in der Schrift, hinsichtlich derer es in so vielen Christen die flagrantesten Widersprüche gibt, dass wir uns sehr wohl die Frage stellen können: «Wo ist der Heilige Geist in ihnen?»
Das ist die GRUNDLAGE von allem «wie es am Anfang war». Das ist es, was mit der Ankunft des Heiligen Geistes aufgetreten ist. Das ist es auch, was die Absicht der neuen Heilszeit war und was als deren eigentliche Natur gelehrt wurde.
Nicht, dass dem universell und vollkommen nachgelebt worden wäre, sogar damals nicht, aber es war wirklich vorhanden und führte zu sehr großen und drastischen Änderungen im Leben von Menschen, sogar in den Aposteln selbst. Das war, mehr als die äußeren Ereignisse, die wahre Natur und Kraft der «Taten des Heiligen Geistes», was ein genauerer Titel für das Buch wäre, das wir als «Die Taten der Apostel» (deutsch: Apostelgeschichte) kennen.
Dieses Grundprinzip wirkte sich in jeder Beziehung und Richtung aus, im Blick auf Christus selbst, auf die Gemeinde, auf das Vorgehen, die Funktion, das Werk usw. Und es unsere Absicht, dies aufzuzeigen, insoweit wir durch den selben Geist befähigt werden, denn wir sind überzeugt, dass dies das ist, «wie es am Anfang war».
Manchmal hören wir Leute sagen: «Oh, blickt nicht auf das Vergangene zurück, auf das, was einmal gewesen ist. Blickt voran auf das Neue, das Gott tun will»; und sie zitieren Paulus, der sagte: «die Dinge zurücklassend, die dahinten liegen». Dass ist sehr oberflächliches Geschwätz, um das mindeste zu sagen. Das kann sehr gefährlich und irreführend sein. Vorausgesetzt, es hat keine Abweichung, keine Preisgabe, keinen Verlust, kein Zunichtemachen von irgend etwas, das von Gott war, gegeben, und die Grundprinzipien gelten noch immer hinsichtlich dessen, WAS SIE WIRKLICH BEDEUTEN, so hat die Ermahnung ihren Platz: «Lasst uns... zur vollen Reife übergehen, wobei wir nicht nochmals den Grund legen...» (Hebr. 6,1-6). Doch das Neue Testament, der auferstandene Herr, der Geist haben starke Dinge zu sagen im Blick auf das «Tu Buße und tue die ERSTEN Werke» (Offenb. 2,5), und der Herr muss auf traurige Weise an eine Position erinnern, von der sein Volk abgewichen ist, und sie zu ihren Anfängen zurückrufen.
Da WAR einst dasjenige - das (wie schmerzvoll) jetzt NICHT ist.
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